Die Berechnung der Wohnfläche ist ein entscheidender Aspekt in der Architektur und im Immobilienwesen, sowohl für die Planung als auch für die Bewertung von Immobilien. Sie hat Auswirkungen auf die Nutzung und den Wert von Gebäuden und muss präzise durchgeführt werden. Verschiedene Normen regeln, wie die Wohnfläche zu berechnen ist, und diese können je nach Land und Verwendungszweck variieren. In Deutschland sind vor allem die Wohnflächenverordnung (WoFlV) und das Bauordnungsrecht maßgeblich, während in anderen Ländern unterschiedliche Vorschriften Anwendung finden. In diesem Kontext werden die wichtigsten Normen zur Wohnflächenberechnung verglichen, insbesondere in Bezug auf deren Vorgaben und technische Details.
1. Wohnflächenverordnung (WoFlV) – Deutschland
Die Wohnflächenverordnung (WoFlV) ist die wichtigste Regelung in Deutschland zur Berechnung der Wohnfläche. Sie legt fest, wie Flächen von Wohnräumen innerhalb eines Gebäudes zu berechnen sind, und definiert, welche Räume als Wohnfläche zählen.
Wesentliche Merkmale der WoFlV:
- Vollwertige Flächen: Alle Flächen mit einer Deckenhöhe von mindestens 2 Metern zählen vollständig zur Wohnfläche.
- Teiler Flächen: Flächen mit einer Deckenhöhe von 1 bis 2 Metern werden nur zur Hälfte angerechnet (50% der Fläche).
- Nicht zu Wohnzwecken genutzte Flächen: Flächen wie Kellerräume, unbeheizte Räume oder Garage zählen nicht zur Wohnfläche.
- Schrägen im Dachgeschoss: Bei Dachschrägen wird nur die Fläche berücksichtigt, die eine Mindesthöhe von 1 Meter aufweist. Flächen mit einer Deckenhöhe von weniger als 1 Meter zählen nicht zur Wohnfläche.
- Sondereinrichtungen: Nicht zur Wohnfläche gehören Treppenhäuser, Schächte oder Kamine, es sei denn, sie nehmen eine signifikante Wohnnutzung ein.
Beispiel:
- Ein Raum mit einer Deckenhöhe von 2,4 Metern und einer Fläche von 30 m² wird mit 30 m² zur Wohnfläche gezählt.
- Ein Raum mit einer Deckenhöhe von 1,5 Metern und einer Fläche von 20 m² wird nur mit 10 m² zur Wohnfläche gerechnet.
2. DIN 277 – Deutschland
Die DIN 277 ist eine weitere wichtige Norm in Deutschland, die sich mit der Berechnung von Bauflächen und Raumgrößen befasst. Sie wird oft für Bauprojekte verwendet, bei denen die Flächenangabe der gesamten Gebäude- oder Nutzflächen erforderlich ist.
Wesentliche Merkmale der DIN 277:
- Die DIN 277 definiert die Brutto-Grundfläche (BGF) und Nutzfläche (NF) und unterscheidet sich in der Berechnung von Wohnflächen.
- Sie dient zur Flächenberechnung von Gebäuden und wird hauptsächlich für Bauvorhaben im gewerblichen und öffentlichen Sektor verwendet.
- Für Wohnflächen wird hier eine differenzierte Berechnung vorgenommen, insbesondere bei gemeinsamen Bereichen wie Treppenhäusern, Fahrstühlen und Fluren.
Beispiel:
- Für gewerbliche Projekte wird die Brutto-Grundfläche (BGF) ermittelt, die alle Flächen eines Gebäudes umfasst, einschließlich der Wände, Flure und Treppen. Die Nutzfläche (NF) bezeichnet nur die tatsächlich nutzbare Fläche, welche für Büros, Wohnungen oder gewerbliche Nutzung genutzt werden kann.
3. ISO 9836 – Internationaler Standard
Die ISO 9836 ist ein internationaler Standard zur Berechnung der Wohnfläche und wird besonders in internationalen Immobilienbewertungen und bei multinationalen Projekten verwendet. Dieser Standard basiert auf internationalen Grundsätzen und unterscheidet sich teils erheblich von den deutschen Normen.
Wesentliche Merkmale der ISO 9836:
- Messmethoden: Die ISO 9836 verwendet ebenfalls eine Deckenhöhe von 2 Metern als Kriterium für die Berechnung der Wohnfläche, jedoch werden auch andere Flächen wie Terrassen, Balkone und Wintergärten als Teil der Wohnfläche betrachtet.
- Bodenfläche: Im Gegensatz zu der WoFlV wird bei der ISO 9836 teilweise die Bodenfläche verwendet, d.h., der gesamte Bereich, der durch die Raumgrenzen definiert ist, ohne Einschränkungen durch die Höhe.
- Verschiedene Nutzungen: Dieser Standard unterscheidet genauer zwischen Wohnnutzung und Nicht-Wohnnutzung und berücksichtigt explizit auch Lagerflächen und Keller bei der Berechnung von Nutzflächen, jedoch nicht bei der Wohnfläche.
Beispiel:
- Ein Raum mit einer Deckenhöhe von 1,8 Metern könnte in der ISO 9836 als Teil der Nutzfläche gelten, auch wenn er in Deutschland nach WoFlV nicht als Wohnfläche zählt.
4. RICS – Royal Institution of Chartered Surveyors (International)
Die RICS-Standards sind eine weitere internationale Norm, die vor allem in Großbritannien und anderen englischsprachigen Ländern verwendet wird. Der Fokus liegt auf der Berechnung von Flächen in Immobilienbewertungen.
Wesentliche Merkmale der RICS-Norm:
- Netto- und Bruttoflächen: Der Unterschied zwischen Nettowohnfläche und Bruttowohnfläche wird detailliert behandelt. Bei der Bruttowohnfläche sind alle Flächen eines Gebäudes (auch Flure, Wände und Treppen) enthalten, während bei der Nettowohnfläche nur die tatsächliche nutzbare Fläche in Betracht gezogen wird.
- Raumhöhe: Eine Raumhöhe von mindestens 2 Metern ist erforderlich, um die Fläche als Teil der Wohnfläche zu zählen. Flächen mit geringerer Höhe werden nach den Vorgaben der WoFlV und der ISO 9836 anteilig berechnet.
Beispiel:
- Ein Wohnzimmer mit einer Deckenhöhe von 2,3 Metern und einer Fläche von 25 m² wird vollständig als Wohnfläche gezählt.
- Ein Flur mit einer Deckenhöhe von 1,9 Metern wird nicht als Wohnfläche berücksichtigt, aber als Nutzfläche in der RICS-Berechnung.
Fazit: Vergleich der Normen
Die wichtigsten Unterschiede zwischen den Normen zur Berechnung der Wohnfläche betreffen vor allem die Methoden zur Flächenmessung, die Berücksichtigung von Dachschrägen, Treppen und anderen speziellen Raumkonfigurationen sowie die Einbeziehung von nicht direkt bewohnbaren Flächen. Die WoFlV ist sehr spezifisch für die deutsche Gesetzgebung und nutzt strikte Vorgaben zur Berechnung, während internationale Normen wie die ISO 9836 und die RICS-Standards breiter angelegt sind und auch globale Immobilienbewertungen berücksichtigen.
Für die genaue Berechnung einer Wohnfläche sollten immer die jeweils geltenden Normen und Vorschriften berücksichtigt werden, besonders wenn es um rechtliche und steuerliche Aspekte geht. In vielen Fällen müssen Planer und Architekten entscheiden, welche Norm am besten zu den Anforderungen ihres Projekts passt.